ethisches Marketing

Ist ethisches Marketing möglich?

Der Begriff Marketing ist im Volksmund nicht gerade positiv belegt. Selten bekommt man auf Partys positiven Beifall, wenn man sagt, man arbeite im Marketing. Wir sehen Marketing oft kritisch, insbesondere weil es so viel schlechtes Marketing gibt.

Aber ist Marketing an sich ein Übel? Ist es moralisch per se zu verurteilen? Oder ist Marketing vielmehr eine Notwendigkeit in einer marktwirtschaftlich orientierten Welt? Ist ethisches Marketing überhaupt möglich?

Marketing will Verhaltensänderung

Die Intention des Einsatzes von Marketingmaßnahmen ist schnell erklärt. Man möchte das Verhalten eines anderen verändern. Man möchte dies meist in Hinblick auf den eigenen Vorteil tun. Die Grundsatzdiskussion der Frage, ob ethisches Marketing möglich ist, eröffnet sich also an der Frage, wie es prinzipiell zu bewerten ist, dass man danach trachtet, das Verhalten eines anderen zum eigenen Vorteil hin zu verändern. Wer rein von einer altruistischen Haltung ausgeht, der wird hier schnell zum Schluss kommen, Marketing sei an sich schon eine verurteilenswerte Handlung. Aber die Kritik an Marketing endet nicht bei der Intention, sondern erstreckt sich meist auch auf die Mittel.

Marketing unterbricht

Wer kennt es nicht. Man scrollt durch Social Media, möchte sich den Content der Freunde oder inspirierenden Persönlichkeiten konsumieren und wird dreist unterbrochen durch ein Ad, welches ein Produkt bewirbt, für das man null Interesse zeigt. Wir erleben Marketing als Show-Stopper, als dreiste Unterbrechung, als Aufdrängen von Interessen, die nicht die unseren sind.

Wir vergessen dabei zumeist, dass es genau die selben Werbetreibenden sind, die den Erhalt der Plattform erst ermöglichen, auf der wir uns so gerne bewegen und auf der wir Unterhaltung kostenlos empfangen. Wir ärgern uns zwar über die Werbung, erkennen aber nicht die Einbettung ins Gesamtsystem.

Es ist auch die Betrachtung des Gesamtsystems, von dem ein weiterer Kritikpunkt ausgeht.

Volkswirtschaftliche Kritik am Marketing

Die Frage lautet, ob Marketing nicht volkswirtschaftlich eigentlich ein Nullsummenspiel darstellt. Schließlich wird durch Marketing meist nur erreicht, dass ein Marktteilnehmer mehr verkaufen kann und ein anderer weniger. Die Frage lautet hier, ob verkaufsfördernde Maßnahmen überhaupt Wohlstand erzeugen, oder einfach nur verteilungspolitische Maßnahmen sind, die Wohlstand nicht erzeugen, sondern nur anders verteilen.

Dies sind Kritikpunkte, die nicht leicht von der Hand zu weisen sind.

Kann Marketing Werte schaffen?

Menschen tendieren dazu, das eigene Verhalten mittels Logik zu rechtfertigen. Der Marketer Rory Sutherland, der für die berühmte Agentur Ogilvy arbeitet, wirft ein spannendes anderes Licht auf Marketing.

Die Argumentationslinie läuft wie folgt: Die Aufgabe von Marketing ist es, den wahrgenommenen Wert von Produkten und Dienstleistungen zu erhöhen. Das Versprechen ist, dass der wahrgenommene Wert alleine durch das Erzählen guter Geschichten, verändern von kommunikativen Mitteln oder Transportieren in andere Gegebenheiten, also kurz gesagt Marketing, erhöht werden kann. Und ist nicht jeder Wert ein wahrgenommener Wert?

Marketing ist damit der leichteste, günstigste und umweltfreundlichste Weg, um Mehrwert zu schaffen. Wir brauchen nicht mehr Fabriken, um mehr Werte zu schaffen, wir müssen uns nur andere Geschichten erzählen.

Dies zumindest die wertverändernde Geschichte von Sutherland, die er über seinen eigenen Berufsstand erzählt.

Ist unsichtbares Marketing moralisch?

Ein Kritikpunkt an Marketing ist, dass es aufdringlich ist und störend. Und es stimmt, dass der erste Schritt in jeder Customer Journey (eine systematische Konzeption der Reise, die Fremde zurücklegen, um Deine Kunden zu werden), die Aufmerksamkeit ist. Wie sollen auch Menschen deine Leistung kaufen, wenn sie nie darauf aufmerksam wurden?!

Aber es gibt auch sublimere Techniken. Eigentlich ist das beste Marketing dieses, das du nicht bemerkst. Du bemerkst nicht, dass du in eine Customer Journey hineingeführt wurdest. Du genießt die Reise und hast eine gute Zeit. Währenddessen gibst du Geld aus. Im Anschluss bist du glücklich und der Marketer hat seinen besten Job gemacht. Wäre Marketing immer so unsichtbar, so hätten wir vermutlich kein Problem damit.

Alternativen zum Marketing

Angenommen, man fände Marketing komplett unmoralisch und würde komplett darauf verzichten. Hier stellt sich die Frage, was, in einer arbeitsteiligen Gesellschaft die Alternative wäre. Wie könnten Menschen auf dein Produkt aufmerksam werden ohne Marketing. Mund zu Mund Propaganda, Weiterempfehlungen sind auch nur eine Form von Marketing. Schließt man sogar sie aus, so könnte ein Produkt nur an einen neuen Kunden gelangen, indem er es zufällig am Straßenrand fände. Dies wäre vermutlich auch kein gangbarer Weg, um Marketing zu betreiben. Man stelle sich nur eine Welt vor, in der sämtliche Unternehmen ihre Produkte nur dadurch bewerben könnten, indem sie diese random auf der Straßen liegen ließen und hofften, dass ein williger Käufer sie entdeckte (zugegeben, die Marketingmaßnahmen mancher Unternehmen sind von dieser Herangehensweise nicht weit entfernt).

Es gibt hierzu den Spruch: Wer schlechtes Marketing hat, braucht Sales. Und auch dies scheint zutreffend zu sein. Die meisten Bewerber bei Bewerbungsgesprächen sind schlechte Marketers. Sie sind daher auf das Bewerbungsgespräch, also ein einzelnes Salesgespräch angewiesen, in der sie ihre Leistung einem willigen Käufer aufschwatzen müssen. Wäre es nicht klüger, durch Marketingmaßnahmen bereits einen guten Ruf aufzubauen, bevor es zum Bewerbungsgespräch käme?!

Die Alternative zu Marketing ist also nur Sales – frustrierend, wenn man Marketing per se verurteilt.

Ob Sales moralisch gerechtfertigt ist, werden wir im nächsten Artikel besprechen.😉

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